Die Saison ist vorbei und somit geht auch der Spieler der Woche in die wohlverdiente Winterpause. Damit in der Zeit nicht nur aus dem Fenster gestarrt wird, während man auf den Frühling wartet, wird an dieser Stelle jede Woche ein archivierter Spielbericht veröffentlicht.
Den Anfang macht die Saison 2002. Im Finale standen sich die Cologne Dodgers und Paderborn Untouchables gegenüber. Martin Helmig hatte das Kommando bei den Unberührbaren und ging als amtierender Meister in die Best-of-Three-Serie gegen die Kölner.
Untouchables nach Regenschlacht Deutscher Meister
Der alte Deutsche Meister ist auch der neue: Nach einem dramatischen 11:8-Erfolg im zweiten Spiel der Best of Three-Serie feierten die Paderborn Untouchables unter Headcoach Martin Helmig den notwendigen zweiten Erfolg und wurden zum dritten Mal nach 1999 und 2001 Deutscher Meister. In einem in vielerlei Hinsicht denkwürdigen zweiten Finalspiel setzten sich die Untouchables bei widrigsten Wetterbedingungen vor verständlicherweise nur knapp 350 Zuschauern im Paderborner Ahorn Ballpark nach zwischenzeitlichem 5:8-Rückstand in einem furiosen Endspurt noch gegen ihren alten Nemesis Cologne Dodgers durch.

Weit über 80 Prozent Regenwahrscheinlichkeit hatte der Deutsche Wetterdienst noch am Samstagmorgen für die Region Paderborn vorausgesagt. Schade, dass sich die Wetterfrösche nicht getäuscht hatten, denn die bedauernswerten Zuschauer und Spieler durchlitten eine über viereinhalbstündige Regentortur, die nahezu das gesamte Spektrum hiesiger Niederschlagsvarianten beinhaltete. Vom Nieselregen bis zum Landregen, bisweilen auch in waagerechter Form – es wurde bei teils heftigem Wind alles geboten, was der Baseballsport nicht braucht. Fassungslos starrten Verantwortliche wie Aktive immer wieder gen Himmel und hofften auf Besserung. „Das waren die unglaublichste Wetterbedingungen, unter denen ich je gespielt habe“, stammelte Kölns US-Closer Jason McCarter nachher. Sein Landmann und U’s-Pitcher Chris Gannon meinte nur „absolutely crazy“, und damit waren (noch) nicht einmal die Paderborner Siegesfeierlichkeiten gemeint.
Zwangsläufig rückten damit die Unparteiischen in den Mittelpunkt des Geschehens. Und tatsächlich konnten einem Headump Jens Waider mit seinen Kollegen Ernst Dahm, Martin Weber und Jens Wolfhagen leid tun. Denn auf ihren Schultern lastete spätestens nach der von leichtem Niederschlag begleiteten Plate Conference die Verantwortung für den weiteren Verlauf des Spiels. Eines war klar: Es musste unter allen Umständen gespielt werden, der terminliche Zwang, kein weiteres Wochenende mehr frei zu haben (die DBV-Pokalendrunde wartete in Wochenfrist), sorgte für die Entscheidung überhaupt zu beginnen, obwohl die Wetterprognose für den weiteren Verlauf des Nachmittags alles andere als Hoffnung versprach.

Von regulären Bedingungen konnte allerdings spätestens nach dem zweiten Inning keine Rede mehr sein. Geradezu bravourös meisterten die beiden Starting Pitcher Eugen Heilmann (PAD) und Mirko Heid (PAD) die unwürdigen Verhältnisse, wohl wissend, dass ein Abbruch wegen Unbespielbarkeit des Platzes jederzeit kommen konnte, ja musste. Jedes andere „normale“ Bundesligaspiel wäre längst unterbrochen worden. Umso erstaunlicher, dass die von der Griffigkeit der Bälle abhängigen Werfer anfangs dominierten. Die Paderborner 1:0-Führung durch Philipp van Soostens Single im dritten Inning glich Kölns Marcus Schraufstetter im vierten Durchgang aus. Von da an wankte die Partie hin und her. Zuerst zogen die Gastgeber noch im vierten Abschnitt auf 4:1 davon. Ein Double von Jendrick Speer in die Leftfield-Ecke sorgte für das 2:1, kurz darauf rutschte der kleine Paderborner unter dem Tag von Kölns Catcher Matthias Winterrath zum 3:1 über die Ausgangsbase. Und als Heiko Schumacher Stefan Fechtig mit einem Opferschlag nach Hause gebracht hatte (4:1), schien eine Vorentscheidung gefallen. Wäre sie wohl möglich auch, wären die Aktiven auf saftig grünem Rasen und gepflegter Tenne, statt einer Seenplatte zu Werke gegangen.
Nicht so bei den Kölnern, die jetzt ihrerseits den Angriff forcierten: Schnell hatten Mike Herakovics Mannen gegen Heilmann die Bases besetzt. Zeit für einen Pitcherwechsel auf Seiten der U’s. Benjamin Kleiner kam für Starter Heilmann und sorgte mit einem Strikeout gegen den wild schwingenden Kölner Slugger Carlos Sanchez für kurzzeitige Erleichterung. Aber die Dodgers ließen nicht locker: Der schlagstarke Christian Dornscheidt verkürzte auf 2:4, ehe First Baseman Christian Klein mit einem Basehit seine Kollegen Justin Ott (3 Hits) und Dominik Wulf nach Hause schlug – 4:4. Spätestens nach „Matze“ Winterraths Hit by Pitch (Run durch Schraufstetter) und Marc Marschs RBI-Single war das Match gedreht. Die Gäste führten in der oberen Hälfte des fünften Innings ihrerseits mit 6:4. Und waren durchaus Willens den Kampf anzunahmen, wie Ralph Wentzs Platzverweis infolge eines unsauberen Körperangriffs gegen Paderborns Catcher Georg Bull bei einer Homeplate-Kollision unterstrich.
Das Regelbuch sieht einen möglichen Spielabbruch bei Regen nebst gültiger Wertung frühestens nach dem fünften Inning vor. Paderborn musste also den Kölner Vorsprung egalisieren, um nicht vorzeitig zu verlieren. Freilich wusste niemand, ob die Schiedrichter tatsächlich mit der Entscheidung spielten, das Spiel nach dem fünften Abschnitt zu beenden. Umso überraschter zeigten sie Spieler und Verantwortliche dann wenig später, als die Unparteiischen die Begegnung beim Stand von 5:6 (van Soosten hatte nach einem Bases loaded Walk für Fechtig verkürzt) , ein Aus und Bases loaded noch im fünften Inning unterbrachen und eine halbstündige „Regenpause“ verordneten. Knapp eine Stunde dauerte die Unterbrechung, in der heftig diskutiert und gemutmaßt wurde. Den Untouchables waren mittlerweile sogar die Spielbälle ausgegangen. Kein Wunder, die bisherige Regenschlacht hatte schon sechs Dutzend Bälle verbraucht. Neue Spielbälle kamen von Seiten des Dachverbands, denn ein Abbruch wegen Ballmangels konnte wirklich niemand wollen.

Als wenn der Wettergott dann doch ein Einsehen gehabt hätte, ließ der Regen dann ein wenig nach. Und Waider schickte die Aktiven prompt wieder auf den Platz. Mit der Einwechselung von Frank Stattler reagierte Herakovic auf die nach wie vor bedrohliche Lage seine Mannschaft. Der Routinier absolvierte die Aufgabe mit Bravour, Köln blieb in Führung. Im sechsten Inning wollten die rheinischen Gäste die Entscheidung. Dornscheidt und Ott brachten ihre Farben gegen den mittlerweile für Kleiner berufenen Gannon mit 8:5 in Führung. Auch das eine Führung, die unter normalen Umständen zum Sieg hätte reichen müssen. Aber was war schon normal an diesem Nachmittag. Ganz bestimmt nicht der Fangfehler, der Christian Dornscheidt bei einem weiten Schlag von Herlitzius unterlief und Paderborn durch Octavio Medina und van Soosten wieder auf 7:8 heranbrachte. „Den Ball fange ich normalerweise ohne Probleme, der war ja schon in meinem Handschuh“, sagte Dornscheidt später. Der Ball aus dem Handschuh, die klare Führung eingebüßt – die für die Kölner so unglücklich gestartete Saison sollte auch am Ende nicht gerade vom Schicksal begünstigt sein.
Wenn man schon kein Glück hat, kommt meistens auch noch Pech dazu. Als Paradebeispiel dieser Lebensweisheit sollte das siebte Inning dienen. Während Gannon die Kölner Offense in Schach hielt, wuchs der Druck auf die Kölner Verteidigung, die nun von Jason McCarter angeführt wurde. Und wie hatte Georg Bull schon nach dem Hinspiel gesagt: „Irgendwie machen wir immer Punkte gegen McCarter, obwohl wir ihn überhaupt nicht gut schlagen.“ Gesagt getan. McCarter haderte mit seiner Kontrolle, nasse Bälle gehorchen einem 90 Meilen-Werfer nun einmal nicht so gut. Ein harmloser Groundball zu Ott, der eigentlich zu einem Out am dritten Base gegen den heranstürmenden Fechtig führen musste, wurde vom Letztgenannten nach Otts Wurf derart unglücklich abgefälscht, dass der Paderborner mühelos das dritte Base und danach auch die Homeplate erreichen kann – 8:8.
Paderborn setzte ein weiteres Mal nach. Wieder war van Soosten mit einem Hit beteiligt (9:8) und auch der eingewechselte Marvin Appiah düpierte McCarter mit einem glücklichen Treffer, der zwei weitere Runs ermöglichte. Jetzt hatten die Hausherren die 11:8-Führung, die es nunmehr zwei Innings zu verteidigen galt. Eine weitere Spielunterbrechung würde es nicht geben. In gewisser Weise erinnerte das Duell der beiden besten deutschen Baseballteams an einen Rocky-Film, in dem beide Kontrahenten dem Niederschlag nahe irgendwie bis zum Ende durchhalten wollten.
Gannon absolvierte das achte Inning ohne Probleme, für den letzten Kölner Angriff schickte Helmig Fechtig auf den Wurfhügel. Der ehrgeizige Rosenheimer („Ich hatte nie einem Zweifel daran, dass wir noch verlieren.“) machte seinem Ruf als nervenstarker Go-to-Guy alle Ehre. Unter dem Jubel der verbliebenen Fans sollte Dodgers-Shortstop Justin Ott das letzte Out der ungewöhnlichen Partie darstellen.
Aus den Händen von DBV-Präsident Frank Wagner und Bundestrainer Fred van Gulik erhielten die Aktiven hernach die Pokale. Für seine exzellente Schlagleistung (fünf Hits) während der Finalserie wurde „Unglücksrabe“ Christian Dornscheidt die Ehrung als „Best Batter“ zu Teil. Paderborns Chris Gannon wurde angesichts eines Saves im ersten und des Sieges im zweiten Endspiel zum besten Werfer der Serie auserkoren. Die Trophäe für den MVP, den wertvollsten Spieler also, ging wie im letzten Jahr an Stefan „Red“ Fechtig, der als Pitcher und Schlagmann wieder einmal seine außerordentlichen Allroundertalente unter Beweis stellte.
Spiel 2 R H E COD 0 0 0 1 5 2 0 0 0 8 6 3 PAD 0 0 1 3 1 2 4 0 X 11 8 0 Umpires: Jens Waider (HP), Ernst Dahm (1B), Martin Weber (2B), Jens Wolfhagen (3B)